Pädagogisches Förderinstitut Sindelfingen :: Legasthenie-ABC

Irrtümer über Rechtschreibung

Wie oft haben wir den Satz fallen hören, das Lesen verbessere Orthographie und Rechtschreibung? Klingt plausibel, oder? Wer mehr liest, prägt sich irgendwann die gelesenen Wörter, sei es als Buchstabenabfolge oder als Wortbilder!

Tatsächlich aber gehen die Meinungen in der Wissenschaft auseinander: Einige Wissenschaftler finden hier einen Zusammenhang und wechselseitige Beeinflussung in ihren Untersuchungen (Frith 1980, 1986), die anderen wiederum entdecken da keine Zusammenhänge zwischen der Rechtschreibung und dem Lesen (Eichler 1976, 1986, 1992, Naumann 2008). Thome (2017) vertritt die Meinung, es kann zwischen Lesefähigkeit und Rechtschreibung kein direkter Zusammenhang hergestellt werden, zumindest nicht in jedem Fall und eher selten (Thome 2017, S. 21).


Wenn ich seiner beispielhaften Beschreibung folge, so wird es klarer, wie er das meint: Wenn wir nach der Uhrzeit gefragt werden, oder sie selbst durch den Blick auf die Uhr wissen wollen, so können wir anschließend sehr wenig über Aufbau und Eigenheiten des Zifferblattes oder Displays sagen. Denn es ist nicht das, was uns ursprünglich interessierte. Die Uhrzeit stand im Mittelpunkt! So ähnlich verhält sich es beim Lesen. Die Handlung steht im Mittelpunkt und nicht die Rechtschreibung.
Ich bin selbst Vielleser und kann nicht behaupten, dass mir das bei der Rechtschreibung hilft. Beim Ausdrucksvermögen und Satzbau – ja, aber nicht bei der Rechtschreibung. Zweifelsfrei wirkt sich das Lesen positiv auf sprachliche Entwicklung aus und besitzt ihren eigenen und unabhängigen Eigenwert. Im Falle eine LRS aber, kann es demotivierend wirken und genau das Gegenteil des Positiven erzeugen. Hier muss man sehr vorsichtig sein.

Meine eigene Erfahrung zeigt, dass meist diejenigen, die nicht richtig schreiben können, große Schwierigkeiten beim Lesen haben. Es ist auch nicht verwunderlich, denn aufgrund von Eigenheiten der deutschen Sprache, ändert sich die Bedeutung eines Wortes je nachdem, wie es geschrieben und gesprochen wird (kurz oder lang). Ein Beispiel: „Raten macht Spaß“ und „Ratten sind dreckig“ oder „sie hat viele Hüte“ und „sie hat eine Hütte in den Bergen“. Aus den Beispielen wird deutlich, das Lesen von solchen Sätzen wird verlangsamt, wenn die Bedeutung eines oder mehrere Wörter sich nicht durchs Lesen erschließen lässt, sondern nur aus dem Kontext des Geschriebenen. Ganz klar, als Folge liest man denselben Satz 2-3 Mal!

Fazit: Das viele Lesen führt nicht unbedingt dazu, dass man besser oder ‚richtiger‘ schreibt. Die Fähigkeit des Erhörens der Längen von Vokalen in Wörtern und das Wissen um die Verbindung dieser gesprochenen Länge zur Schreibweise(1) führt aber zum besseren Lesen(2). Und Lesen, vor allem die Schnelligkeit des Lesens, ist erfolgsentscheidend in jedem Schulfach! Nicht nur in Deutsch.
(1) Phonetische Diskriminierung – einer der Aspekte einer erfolgreichen Lerntherapie im PFI
(2) basierend auf der eigenen Behandlung von mehr als 1600 Kindern und Erwachsenen.